BUND Regionalverband Stuttgart

Einleitung

Wir alle wissen, wie gut es uns tut in der Natur zu sein. Wir wissen und spüren es im tiefsten Inneren seit Jahrtausenden. Die Geräusche des Waldes, der Geruch der Bäume, das Spiel des Sonnenlichts zwischen den Blättern, die vom Duft der Pflanzen getränkte Luft. All dies sorgt dafür, dass wir uns im Wald wohlfühlen. Stress und Sorgen können weichen, wir entspannen uns und können klarer denken. Der Aufenthalt in der Natur hebt unsere Stimmung, er gibt uns unsere Energie und Vitalität zurück, erfrischt und verjüngt uns.

 (© Johanna Clasing / https://www.johanna-clasing.de / Der Seewald – Erholungs- und Rückzugsraum)

Rückzug, Stille, Inspiration

Wir entdecken den Wald wieder neu: Als Ort des Rückzugs, der Stille, der Inspiration und auch der Abkühlung.

Der Seewald an der grünen Spange zwischen den Gemeindeteilen stellt für die EinwohnerInnen einen bedeutsamen Rückzugsort in vielerlei Hinsicht dar. Dies wurde auch in einer repräsentativen GMA- Befragung zum Stadtentwicklungskonzept 2023 bestätigt.

 

Warum diese Waldbegegnung?

 (© Wolf Ohl / BUND Ortsgruppe Korntal-Münchingen)

Viele Menschen, die durch unseren Wald streifen, nehmen seit einigen Jahren Veränderungen und ein verzerrtes Bild von ihm wahr:

  • immer mehr durchforstete und ausgelichtete Bereiche, sogenannte Kahlflächen
  • neue dazugekommene Rückegassen (durch tiefe Reifenspuren schwerer Holzerntemaschinen geprägte Schneisen)
  • Laub- und Nadelbestände (gesunde Buchen) sind durch die Bewirtschaftung stark ausgelichtet
  • überall sehen sie absterbende und geschwächte Bäume, die oft kein intaktes Kronendach mehr haben
  • viele Altbäume – mangelnder Schutz durch Nachbarbäume –  sind abgestorben oder abgeholzt
  • geschädigter Waldsaum durch Auflichtung und Holzschlagschäden (Grüne Spange klingt wie ein Hohn)
  • Aufforstung wird auch mit nicht heimischen Baumarten durchgeführt

Diese Entwicklung haben auch wir als Mitglieder der BUND-Ortsgruppe Korntal-Münchingen beobachtet und dies zum Anlass genommen, uns der Thematik Ökosystem Wald und Bewirtschaftung anzunehmen. Wir haben uns die Fragen gestellt: Sind diese Maßnahmen ausschließlich auf die Folgen des Klimawandels mit Trockenheit, Insektenbefall (Borkenkäfer) und / oder wirtschaftlicher Interessen zurückzuführen?

Um die eigenen Eindrücke zu objektivieren, wurde eine Waldbegehung mit einem ehemaligen Forstbeamten (Förster) durchgeführt, der fachkompetent eine Stellungnahme zum Zustand des Seewaldes geben konnte und der die Möglichkeiten für zeitgemäße, nachhaltige Vorgehensweisen im Sinne einer naturverträglichen Waldnutzung erläuterte.

Gerald Klamer (www.gerald-klamer.de) hat 25 Jahre als Forstbeamter im Hessischen Raum gearbeitet, bevor er seinen Dienst zu Gunsten einer 6.000 Kilometer langen Wanderung durch Deutschland an den Nagel hing. Er wollte auf die Situation des Waldes aufmerksam machen und seine Erkenntnisse publizieren. Er setzt sich für eine alternative, naturnahe Waldbewirtschaftung ein, wie beispielsweise das „Lübecker Modell“ – ein Vorbild für Waldnutzung in Deutschland. Einige große Städte (München, Bonn, Saarbrücken, Wiesbaden, Hannover und Göttingen) haben bereits dieses Konzept übernommen.

Schlussfolgerungen

  • Das Eschentriebsterben aufgrund eines Pilzes aus Asien am Spielplatz hätte weniger brachial umgesetzt werden können.
  • Zu den Einschlägen von Fichten und Neupflanzung von nichteinheimischen Baumarten, wie beispielsweise der Douglasie im nördlichen Teil gäbe es Alternativen.
  • Die Entnahme großer Bäume - vor allem gesunder Buchenbestände - am östlichen Rand ist als kritisch anzusehen
  • Neue dazugekommene Rückegassen1 im Abstand von weniger als 20 m haben Auswirkungen auf das Waldmikroklima.
  • Der nachhaltige Hiebsatz ist bei uns im Wald aufgrund der schadhaften Eschen und Fichten sehr wahrscheinlich überschritten. Erfreulicherweise wird mehr Totholz als früher im Wald belassen.

1 Bodenverdichtung durch Rückegassen: Boden büßt bis zu 80% seiner Wasserspeicherkapazität ein, was gerade in trockenen Zeiten und bei Kahlflächen die Bedingungen noch verschlechtern lässt. Hinzu kommt, dass diese Wege sich lange erholen müssen, bis neue Samenbäume wieder eine Chance auf Wachstum haben. Ebenso wird so das Mykorrizagewebe – Symbiose von Baum und Pilz – durch die starke Befahrung der Waldböden empfindlich gestört

Hochverdichtete Rückegassen an vielen Stellen im Seewald  (© Christina Kautt / BUND Ortsgruppe Korntal-Münchingen)

Waldnutzung

Nutzungsänderung des Waldes: hin zur naturverträglichen Bewirtschaftung

Wie könnten andere Handlungsansätze sein?

Alte Bäume und intakten Wald aus der Nutzung nehmen. Andere Leistungen des Waldes sind jetzt wichtiger als Holzbereitstellung: neue Konzepte für Ertragsausgleichszahlungen: Es muss die Frage gestellt werden: Soll die Priorisierung des Waldes als Naherholung auf die Tagesordung?

Holzeinschlag:
Es muss weniger Holzeinschlag erfolgen, als das was nachwachsen kann. Wald darf nicht unter der Brennholznachfrage leiden. Diese darf nicht nicht unreguliert steigen: Studien haben gezeigt: Selbst wenn man alles geerntete Holz (auch das Bauholz etc.) verbrennen würde, könnte man nur 7 % des Energiebedarfs in Deutschland damit decken. Fazit: Holzverbrennung ist keine Lösung für die Energiekrise.

Bodenverdichtung:
Wichtig ist den Rückegassenabstand auf mindestens 40 m auszulegen.

Art der Pflanzung:
Keine teuren Pflanzungen (Douglasien – Anpassung in Zukunft zweifelhaft, das ist mittlerweile wissenschaftlich untersucht) mit Zäunen, wo standortangepasste Naturverjüngung überall möglich ist.

Auflichung:
Weniger Auflichtung (vor allem bei verbleibenden alten, bildgebenden Altbeständen):
es schwächt das Waldinnenklima und das Kronendach.

Eschentriebsterben:
Absterbende Eschen nicht kahlschlagen. Besser für Wiederbewaldung und Waldinnenklima: Es existieren Fallbeispiele für Widerstandsfähigkeit trotz asiatischem Pilz-Befall.

Beispiele anderswo zeigen:
Anpassung totgeglaubter Buchen an den Klimawandel durch epigenetische Prozesse (wie z.B. durch Veränderungen beim Wuchs)

Naturverjüngung:
Auf Naturverjüngung, statt auf kosten- und personalintensive Pflanzungen setzen. Absterbende Bäume sollten unbedingt teilweise stehen bleiben, weil das den Boden schützt und er sich nicht so stark erhitzt. Im Schutz abgestorbener Bäume wird die Naturverjüngung gefördert.

 

Unsere Eindrücke in Bildern

Was sagt uns das zum Klimawandel?

Seit dem dramatisch trockenen Jahr 2018 und im Zuge der Nachhaltigkeit sollte Walderhalt, nicht der Nutzwald, das primäre Ziel sein.

Unser Wald ist unerlässlich, um mit den Veränderungen des Klimas klarzukommen, denn er speichert Wasser und reinigt es. 

Hintergrund: Rund 2,1 Millionen Hektar Wald in Deutschland sind Trinkwasserschutzgebiet. Der Wald hebt den Grundwasserspeicher an. 1 ha Waldboden sorgt für den jährlichen Wasserverbrauch von rd. 63 Menschen); ist Luftreiniger und Landschaftskühler und versorgt uns mit Holz. Seine „derzeit“ größte Leistung liegt in seiner CO2-Speicherfähigkeit. In deutschen Wäldern sind derzeit 1,2 Milliarden Tonnen Kohlenstoff gespeichert. 46,8% davon speist der Waldboden ein.

Fazit

Weitere Forstkollegen von Gerald Kramer beschreiben ihre Wahrnehmung zum Waldzustand. Es muss ein Umdenken beim bisherigen forstwirtschaftlichen Vorgehen erfolgen. Waldökosystemen müssen neu gedacht werden. Naturschutz und Wertschöpfung müssen keinen Widerspruch darstellen.

Thomas Hauck, Fortamtsleiter Stadtwald Baden-Baden sagt dazu:
„Vertrauen in die Kräfte der Natur sind dabei ganz wichtig. In der Regel sind wir zu ungeduldig und greifen zu schnell in die natürlichen Abläufe ein…ein vielfältiger Mischwald wird sich auch in Zukunft als klimastabil erweisen: in der Naturverjüngung gibt es Beispiele von zahllosen Jungbäumen, die bereits unter den neuen klimatischen Bedingungen aufwachsen und deren genetische Ausstattung dies ermöglichen wird.“

Wir als BUND-Gruppe haben viele Erkenntnisse aus der Begehung gewinnen können und viele Anregungen für erste Schritte zur Schonung unseres Waldes mitnehmen können.

Eines ist klar: der Wald gehört uns Allen. Und:

Der Wald ist ein besonderes Wesen, von unbeschränkter Güte und Zuneigung, dass keine Forderungen stellt.

J. C. / C.K. / M. S.

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