BUND Regionalverband Stuttgart

Sommer-Linde

Tilia platyphyllos

Familie: Malvengewächse, Malvaceae
Gattung: Tilia
Vorkommen: Europa ohne Britische Inseln; Kaukasus, eingebürgert: Britische Inseln
Wuchshöhe: 35 bis 40 m


Der lateinische Name Tilia bezieht sich auf die faserige Struktur der Rinde. Von ihm ist das französische »tille« abgeleitet, mit dem die Fasern bezeichnet werden, die bei der Linde unter der äußeren Rinde liegen und die zur Herstellung von Seilen verwendet wurden.
Die Angelsachsen benutzten schon im 5. und 6. Jahrhundert auf ihren Schiffen Taue und Stricke aus Bast und auch die nordamerikanischen Indianer wussten Bastteile zu verwenden.
In Deutschland bezieht sich das Wort »Bast« speziell ebenfalls auf die Fasern der Lindenrinde, die zum Binden – »Bindebast« – vor allem in Gärtnereien verwendet wurden.

Das Holz der Linde ist weich und daher leicht zu bearbeiten. In ihrem Namen kommt dies zum Ausdruck, wenn man ihn vom althochdeutschen linta ableitet, das wohl auf das lateinische leutus = biegsam zurückgeht.
Dieses seidenglänzende Lindenholz, welches zwar beim Trocknen stark schwindet, aber dann nur noch wenig arbeitet, ist nach wie vor begehrt für Schnitzereiarbeiten. Beispielsweise wurde der herrliche Cyriakusaltar von 1520 in der Stadtkirche zu Besigheim von Christoph von Urach aus Lindenholz meisterhaft geschnitzt.

Zur Kennzeichnung der Gerichtsstätten hat man früher überwiegend Linden gepflanzt. Auf die 1000-jährige Linde von Meimsheim, von der heute nur noch ein Rumpfstück der äußeren Schale vorhanden ist, darf ich verweisen.
Da im Alter fast jede Linde von innen her ausfault, ergeben sich so ideale Behausungen für Wildbienen. Zu vielen Schlössern und großen Landsitzen gelangte man einst durch eine Lindenallee, z. B. von Eglosheim nach Monrepos oder nach Ludwigsburg. Es muss im 17. Jahrhundert gewesen sein, dass die Linden als Parkbäume der Mächtigen in Mode kamen.

Sie wachsen turmförmig, bilden keine ausladende Krone, sondern recken ihre oberen Äste hoch und lassen die unteren hängen. Im Hochsommer erfüllen sie die Luft auf das Angenehmste mit dem ätherischen Duft ihrer Blüten, die heute noch gerne für Fiebertee gesammelt werden.

Doch trotz dieser Vorzüge ist die Linde einer der wenigen Bäume, die fast mehr Laster als Tugenden hat – ob sie deshalb wohl der Lieblingsbaum der Liebenden ist? Früher trafen sich die jungen Leute unter der Dorflinde. Nicht von ungefähr zog es die Liebenden zu den Linden, war doch die Linde, Freya, der germanischen Göttin der Liebe, der Fruchtbarkeit und des Hausstandes, geweiht. Im gewissen Sinne war also Freya für die Germanen eine ähnliche Gottheit wie die Venus für die Römer oder die Aphrodite für die Griechen.
In den herzförmigen Blättern der Linde sah man ein Symbol für Liebe. Der betörende Duft der Lindenblüten tat ein Übriges und beeindruckte die mittelalterliche Landbevölkerung, der die »Wohlgerüche Arabiens« unbekannt waren. »Unter der Linden, auf der Heide, da unser zweier Bette war«, sang schon um 1200 der aus Südtirol stammende größte Dichter des Hochmittelalters und Minnesänger, Walther von der Vogelweide.
Eines der bekanntesten Volks- und Liebeslieder, in denen die Linde vorkommt, dürfte wohl sein: »Am Brunnen vor dem Tore, da steht ein Lindenbaum ...« von W. Müller, dem Griechenmüller, 1794–1827.

In manchen Gebieten »honigt« die Linde sehr gut, so dass man den hellen, reinen Lindenhonig schleudern kann. Leider gibt es verschiedene Lindenarten, die einen für Bienen unwiderstehlichen Duft in ihren Blüten haben. Die in Schwärmen angelockten Bienen – ich bin selbst Imker – werden jedoch betäubt oder vergiftet, sodass der Boden unter diesen Bäumen oft mit sterbenden Bienen und Hummeln übersät ist. Ich bitte daher insbesondere die Gemeindeverwaltungen, aber auch Privatbesitzer von Grundstücken sehr herzlich folgende fremdländische Lindenarten bei uns nicht zu pflanzen:
Krimlinde (Tilia euchlora),
Hängesilberlinde (Tilia petiolaris),
Silberlinde (Tilia tomentosa).

Lindenblätter werden gerne von Läusen bewohnt, deren Ausscheidungen als »Honigtau« bekannt sind. Durch die sich in diesem Milieu entwickelnden Rußtaupilze nehmen die Blätter oft eine unansehnliche schwärzliche Farbe an.

Dr. Hans Halla

BUND-Bestellkorb