BUND Regionalverband Stuttgart

Ginkgo

Ginkgo biloba

Familie: Ginkgogewächse, Gingkoaceae
Gattung: Ginkgo
Vorkommen: SO-China
Wuchshöhe: meist bis 30 m, es gibt aber wesentlich höhere Exemplare


Ein laubabwerfender, zweihäusiger Baum mit keil- bis fächerförmigen, parallel-nervigen Blättern und einem Einschnitt in der Mitte, daher lateinisch biloba = zweilappig.
Der Ginkgo bildet einen entwicklungsgeschichtlich interessanten Übergang zwischen Nadel- und Laubhölzern. Seine entfernte Verwandtschaft mit den heutigen Nadelbäumen scheint der Ginkgo selbst noch im hohen Alter mit seinem stämmigen Erscheinungsbild und dem Blatt, welches aussieht wie zusammengewachsene Nadeln, zu verraten.
Wegen dieser Besonderheit hat die Deutsche Dendrologische Gesellschaft – eine Gesellschaft, die sich mit Holzgewächsen befasst – einst das Ginkgo-Blatt als ihr Abzeichen gewählt.

Der Ginkgo gehört zu den Bäumen, die sich in langen Zeiträumen kaum weiterentwickelt haben. Man bezeichnet deshalb solche Arten als stabile Formen oder als »lebende Fossilien«. Dieser Baum hat seit 180 Millionen Jahren, das ist die Zeit, als die Keuperschichten unseres Stromberges und die Kalke der Schwäbischen Alb abgelagert wurden, sein gleiches Aussehen, was wir aus Versteinerungen wissen.

Lebewesen, die sich einfach geweigert haben, an der Entwicklung vom Niedrigen zum Höheren teilzunehmen, fordern uns schon einen gewissen Respekt ab. Es gibt Krabben und auch Insekten, die sich seit 100 Millionen Jahren so gut wie nicht weiter entwickelt haben. Aber wenn ein Waldbaum seine Verwandten und Abkömmlinge überlebt und dem Drift der Kontinente, der Entstehung der Gebirgsketten, dem Kommen und Gehen von Reptilienzeitaltern und Eiszeiten unbewegt zuschaut und all das 200 Millionen Jahre unverändert überstanden hat, dann zeugt das schon von einer einzigartigen Zähigkeit und von einem gesunden Bauprinzip.

Der Ginkgo sowie die als »Nadelbäume« zusammengefassten Koniferen = Zapfenträger und Eibengewächse bilden die uralte Gruppe der nacktsamigen Pflanzen. Ihnen allen ist gemeinsam, dass ihre Samenanlagen unbedeckt auf den Samenschuppen der Zapfen liegen.
Darin besteht auch der Hauptunterschied zu den entwicklungsgeschichtlich jüngeren, bedecktsamigen, also den Laubbäumen, deren Samenanlagen von Fruchtschuppen umhüllt sind, aus denen sich später Fruchtknoten und Frucht entwickeln. Streng genommen haben die nacktsamigen Bäume also keine eigentlichen Früchte.

Die allgemein bekannten Koniferen haben meist nadelartige Blattorgane, weshalb sie der Volksmund einfach »Nadelbäume« nennt. Ich muss allerdings bemerken, es gibt auch Nadelbäume ohne klar erkennbare Nadeln, z.B. das in diesem Buch ebenfalls behandelte Chinesische Rotholz oder die Sumpfzypresse.

In der geschichtlichen Entwicklung ist die große Zeit der Nadelbäume schon vorüber. Seit vielen Millionen Jahren sind sie sowohl in ihrer Zahl als auch in ihrer Verbreitung im Rückzug. Bevor die heutigen Nacktsamer (Nadelbäume) entstanden und lange vor der Entwicklung der Laubbäume, war der Ginkgo über die ganze Erde verbreitet. Sein Niedergang begann schon vor den Eiszeiten, aber er blieb am Leben, denn irgendwo in China gab es noch eine Nische für diesen seltsam differenzierten Primitiven.

Seit 1754 wird der Ginkgo in Europa, zumindest in Gärten, wieder angebaut. Sein heutiger Name ist die japanische Version seines chinesischen Nachkommen Yin-kuo, was so viel wie »Silberfrucht« bedeutet.

Neben seinem hervorragenden Holz – es entspricht etwa dem unserer Tanne – das man zum Tempelbau verwendete, waren seine Samen ein weiterer Grund, warum man diesen Baum anbaute.
Die gerösteten Kerne isst man zu alkoholischen Getränken etwa so wie wir Nüsse. Die fruchtfleischartigen Samenschalen sollen die Männer Ostasiens als sexuelles Anreizmittel verwenden, dazu darf man allerdings die Samenschalen nicht überreif werden lassen, da sie sonst widerlich nach Buttersäure stinken.

Im übrigen ist der Ginkgo mit seinen Blättern ein bewährtes Mittel zur Gefäßerweiterung und damit zur Förderung der Durchblutung.

Abschließend das Gedicht, das Johann Wolfgang von Goethe dem Ginkgo-Baum in seinem Weimarer Garten gewidmet hat:

Gingo biloba
Dieses Baums Blatt, der von Osten
Meinem Garten anvertraut,
Gibt geheimen Sinn zu kosten,
Wie's den Wissenden erbaut.
Ist es ein lebendig Wesen.
Das sich in sich selbst getrennt?
Sind es zwei, die sich erlesen,
Dass man sie als Eines kennt?
Solche Frage zu erwidern
Fand ich wohl den rechten Sinn;
Fühlst du nicht an meinen Liedern
Dass ich Eins und doppelt hin?

Wolfgang von Goethe

Dr. Hans Halla

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