BUND Regionalverband Stuttgart

Umwelt- und Verkehrsverbände fordern echte Verkehrswende in Stuttgart

29. März 2019 | Radverkehr, Mobilität, Luftreinhaltung

Gemeinsame Pressemitteilung         

ADFC    -    BUND    -    FUSS e.V.   -    LNV    -    VCD 

Vielzahl von Maßnahmen sind notwendig – zu Lasten des Autoverkehrs

Die Verkehrspolitik in Stuttgart steht an einem wichtigen Wendepunkt und konkretes Handeln ist angesagt. Der Druck und die Notwendigkeiten sind übergroß. Fahrverbots-Gerichtsurteile wegen Grenzwertüberschreitungen bei Luftschadstoffen, Nationale und lokale Klimaschutzziele wie beim Stuttgarter Masterplan 100 % Klimaschutz, zunehmende Flächenkonkurrenz des Autoverkehrs mit anderen Nutzungen - z.B. Wohnen, anhaltend extrem gesundheitsgefährdende Lärmbelastung für viele Anwohner – dies sind nur ein Teil der aktuellen Themen, warum der Verkehr in Stuttgart neu organisiert werden muss.

Die Formel wie all diese Probleme halbwegs in den Griff zu bekommen sind heißt:
Weniger Autos und weniger gefahrene Autokilometer in Stuttgart.

Die Umwelt- und Verkehrsverbände sehen ihre Forderungen in der renommierten Studie Mobiles Baden-Württemberg bestätigt, die letztes Jahr von der Landesstiftung veröffentlicht wurde. Die Studie zeigte in verschiedenen Szenarien auf, dass selbst ein kompletter Umstieg der Fahrzeugflotte auf Elektroautos die Pariser Klimaschutzziele verfehlt.

Dass die immer dringlich werdende Verkehrswende gelingen kann, stellen immer mehr europäische Städte unter Beweis, z.B. Kopenhagen, Wien und Münster.

Die bisherige Erfahrungen zeigen, dass eine reine Angebotspolitik (pull) die Verkehrswende nur wenig voranbringt. Entscheidend sind auch ordnungspolitische Maßnahmen und Restriktionen (push), um einen Umstieg zu befördern. Die aktuellen Fahrverbote bewirken,  dass der Prozess hin zu einer echten Verkehrswende in Stuttgart deutlich befördert wird.

„Um vor allem die PKW-Fahrleistungen in Stuttgart zu senken, sind Tempolimits ein wichtiges Instrument, denn wer langsam fährt, fährt weniger weit“, sagt Gerhard Pfeifer, BUND Regionalgeschäftsführer. Pfeifer weiter: „In Zukunft sollte im Stadtgebiet Tempo 30 die Regelgeschwindigkeit sein. Über den Lärmschutz hat man die rechtlichen Voraussetzungen dies anzuordnen. Viele Städte wie z.B. Freiburg nutzen dies bereits. Auch auf den auf Stuttgart zuführenden Außerortstraßen muss maximal Tempo 60 erlaubt sein. Damit werden dann in punkto Fahrzeiten Busse und Bahnen konkurrenzfähiger und die Stickoxidemissionen, die als Hintergrundbelastung im Stuttgarter Zentrum einen erheblichen Anteil haben, sinken deutlich – auch die Anzahl von Verkehrsunfällen.“

Pförtnerampeln an den Stadtgrenzen bewähren sich immer mehr, um den Stau vor und nicht in der Stadt zu haben. In z.B. Wiesbaden, Remseck und in Bad Cannstatt an der Beskidenstraße wurden bisher gute Erfahrungen gesammelt. „Die Maßnahme wirkt auch enorm pädagogisch. Wenn z.B. die Stadtbahn oder der Linienbus auf der Busspur an dem Autostau vor Pförtnerampeln flüssig vorbei zieht, ist dies oftmals der entscheidende Impuls für die Autofahrer auf den Öffentlichen Verkehr umzusteigen“, berichtet Pfeifer.

Christoph Link, Vorsitzender des VCD Kreisverbandes Stuttgart ergänzt: „Busspuren zu Lasten von Autospuren sind erste Mittel der Wahl um den ÖPNV schnell und wirksam zu fördern. Der Bau von neuen Stadtbahnlinien dauert erfahrungsgemäß viele Jahre. In Stuttgart gibt es noch gewaltiges Potential. Auf insgesamt 600 km Straßenkilometer in Stuttgart fahren Linienbusse – nur auf 13 km sind Busspuren eingerichtet. Zum Vergleich 1987 also vor 32 Jahren (!) waren es 5 km. Dass es z.B. in der Wagenburgstraße immer noch keine Busspur gibt, nur weil dafür ein paar Parkplätze aufgelöst werden müssen, ist ein Skandal – was nützen die neuen günstigen VVS-Tarife ab 1. April 2019, wenn Busse weiterhin im Stau stehen?“

Gudrun Zühlke, ADFC Landesvorsitzende sagt zum Radverkehr: „Die Förderung des Radverkehrs ist eine wichtige Maßnahme, um den MIV (motorisierten Individual-Verkehr) zu reduzieren: Mehr als 50 % der Autofahrten sind kürzer als 5 km, ebenso viele Fahrten mit dem ÖPNV. Diese Strecken sind ideal fürs Fahrrad. Werden ein erheblicher Teil dieser kurzen Fahrten auf das Fahrrad verlagert, haben die Langstreckenfahrer mehr Platz auf der Straße und im ÖPNV. Handwerker, Lieferanten und andere Menschen, die auf ein Auto angewiesen sind, muss demnach daran gelegen sein, dass mehr Menschen Rad fahren.“

Zühlke weiter: „Um einen signifikanten Umstieg vom Auto zum Rad zu schaffen, brauchen wir #MehrPlatzFürsRad: Es braucht eine sichere, breite, durchgehende und selbsterklärende Fahrradinfrastruktur, die frei ist von Schneeglätte, Schmutz und vor allem frei von Autos. Der Ausbau des Radverkehrs darf nicht zu Lasten des Fußverkehrs erfolgen. Der Ansatz Radschnellverbindungen zu bauen ist gut, dauert aber für das unmittelbare Problem der akuten Luftverschmutzung zu lange. Parallel zu diesen Planungen brauchen wir ganz schnell den Ausbau der Hauptradrouten, die konsequente Umsetzung des geltenden Rechts bei Durchfahrtsverboten, Halteverboten usw. und die konsequente Beseitigung von subjektiven und objektiven Gefahrenstellen.“

29 % der von Stuttgarter/innen zurückgelegten täglichen Wege werden zu Fuß bewältigt. Damit ist zu Fuß gehen nach dem Auto (40 %) und noch vor Busse und Bahnen (23 %) und dem Radverkehr (8 %) eine der wichtigsten Verkehrsmittel. Susanne Jallow, Sprecherin von FUSS e.V. Stuttgart fordert: „ Zu-Fuß-Gehende brauchen sichere Wege und gute Luft. Daher wollen wir alles was nicht auf einen Gehweg gehört - E-Scooter, Ladeinfrastruktur für E-Mobilität, Parkscheinautomaten für PKW, Gehwegparken - legal und illegal: Runter damit! Damit das gehen kann, müssen Parkplätze und PKW-Spuren umgewandelt werden - auch für Radspuren. Zu-Fuß-Gehen soll wirklich - zusammen mit Rad Fahren - Priorität in der Stadtplanung haben, bei jeder Baumaßnahme, der MIV muss Platz abgeben, anders geht keine Verkehrswende.“

 Joseph Michl, Sprecher des LNV-Arbeitskreise Stuttgart kommentiert die aktuelle Forderung von bestimmten Parteien im Rathaus mit neuen Straßen die Verkehrs- und Luftprobleme in Stuttgart zu lösen: „Weiterer Straßenbau erzeugt mehr Verkehr und erzwingt zusätzliche Fahrverbote. Es macht keinen Sinn, die Natur zu zerstören und neue Straßen zu bauen, und anschließend das Fahren zu verbieten. Wir fordern daher als langfristige Maßnahme gegen Luftbelastung einen Stopp des Straßenbaus im Ballungsraum Stuttgart und die sofortige Streichung der Straßenbaumaßnahmen aus dem Luftreinhalteplan Stuttgart.“

Michl weiter: „Wer leistungsfähige Straßen baut, fördert den motorisierten Individualverkehr (MIV). Hiervon haben wir schon mehr als genügend im Ballungsraum Stuttgart. Die Schadstoffbelastung der Luft ist entsprechend hoch und liegt entlang der stark befahrenen Straßen in Stuttgart auf weiten Abschnitten über den gesetzlich zulässigen Grenzwerten. MIV vergiftet nicht nur die Atem-Luft, er ist zu laut, zu gefährlich, zu aufwendig und braucht zu viel Platz. Es ist daher gesellschaftlicher Konsens, dass der MIV in unserer Region weniger werden muss. Will man wenigstens den Zuwachs beim MIV stoppen, darf man keine neuen Straßen mehr bauen. Geplant ist aber genau das Gegenteil. Sowohl im Bundesverkehrswegeplan (BVWP), als auch im Generalverkehrsplan (GVP) als auch im Regionalverkehrsplan (RVP) und sogar im aktuellen Luftreinhalteplan werden für Stuttgart und das engere Umfeld viele Straßenbaumaßnahmen gefordert wie z.B. der Nordostring und der Ausbau der B10, die den MIV in unserer Region deutlich erhöhen werden. Teilweise geschieht dies durch großräumige Verkehrsverlagerung, teilweise durch neu erzeugten Verkehr, den es ohne die neuen Straßen gar nicht gäbe. Dies wird auch von den Planern nicht bestritten.“

 

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