BUND Regionalverband Stuttgart

Drohender Streuobstwiesen-Kahlschlag wegen Neubaugebiet in Weil der Stadt

26. Januar 2023 | Moore, Nachhaltigkeit

Naturschutzverbände erheben umfangreiche Einwände: BUND kündigt rechtlichen Widerstand an.

Streuobstwiesen Häugern im Juni 2022  (BUND)

Pressemitteilung BUND Regionalverband Stuttgart 

Stuttgart, 26.01.2023

Die Stadt Weil der Stadt im Kreis Böblingen plant auf einem 10,5 Hektar großen Areal im Außenbereich am Ortsausgang Richtung Merklingen ein Neubaugebiet mit der Bezeichnung Häugern-Nord. Diese Woche endet die Öffentliche Beteiligung zum Entwurf des Bebauungsplanes. Der BUND, der Landesnaturschutzverband, der NABU und die Vogel- und Naturfreund Merklingen e.V. haben jeweils umfangreiche Stellungnahmen abgegeben. Einhelliger Tenor: Alle Verbände lehnen den Bebauungsplan wegen der enormen Eingriffe in eine sehr wertvolle Kulturlandschaft ab. Zudem wird befürchtet, dass dem benachbarten Naturschutz- und FFH-Gebiet Merklinger Ried förmlich das Wasser abgegraben wird.

Besonders gravierend wäre bei Realisierung des Projektes die Rodung von rund 70 Streuobstbäumen, die nach dem novellierten baden-württembergischen Naturschutzgesetz unter besonderem Schutz stehen (§ 33 „Streuobstwiesenparagraf). Wegen der vielen Baumhöhlen in dem Gebiet, die als Lebensraum und Fortpflanzungsstätte für streng geschützte Vogelarten wie Wendehals und Grünspecht sowie für etliche Fledermausarten dienen, besteht ein absolutes Zugriffsverbot. „Nach den Vorgaben des Landes besteht in solch einem Falle kein Abwägungsspielraum und der Streuobstwiesenschutz geht ganz klar vor Bauinteressen. Der BUND ist entschlossen, dies gegebenenfalls gerichtlich überprüfen zu lassen, sollte Weil der Stadt sich darüber hinwegsetzen“ sagt Gerhard Pfeifer, BUND Regionalgeschäftsführer.

Durch die großflächige Versiegelung von Feldern und Wiesen durch das Baugebiet besteht die Gefahr, dass das angrenzende und tiefer liegende Feuchtgebiet Merklinger Ried weniger Wasser bekommt und austrocknet. Einige Gutachten unterstreichen diese Gefahr. Zwar plant die Stadt mit aufwändigen Bauten so viel Wasser wie möglich dem Ried wieder zu zuführen – diese Pläne sind jedoch nicht überzeugend und fachlich fragwürdig. Unberücksichtigt bleibt z.B. der akute Klimawandel mit deutlich niedrigeren Jahresniederschlägen. Das Merklinger Ried leidet die letzten Jahre schon enorm darunter und der ökologische Zustand hat sich verschlechtert. Ein weiterer Stressfaktor wie Verminderung des Wasserzuflusses durch Häugern-Nord wäre vermutlich das Aus für das Niedermoor, in dem auch große Mengen CO2 gebunden sind.

In diesem Zusammenhang stark betroffen wären auch geschützte Amphibien, die das Ried bewohnen und als Laichstätte nutzen. Insbesondere für die wandernden Arten wie Grasfrosch und Erdkröte wird durch das geplante Baugebiet der Wanderkorridor zwischen dem westlich angrenzenden Waldgebiet und dem Merklinger Ried zu großen Teilen blockiert. Amphibien-Populationen haben ebenfalls durch den Klimawandel in letzter Zeit einen dramatischen Rückgang erfahren.

Insgesamt krankt das ganze Bebauungsplanverfahren an vielen und gravierenden Mängeln wie veraltete und fehlende Gutachten, unzureichende und unvollständige Ausgleichsmaßnahmen, widersprüchlichen Bewertungen und fehlende Berücksichtigung anderer Fachplanungen wie z.B. den Biotopverbund.

Pfeifer kommentiert abschließend: „Häugern-Nord ist eine Dinosaurier-Planung bzw. völlig aus der Zeit gefallen. Die Verwaltung und der Gemeinderat von Weil der Stadt halten daran krampfhaft fest und haben nicht realisiert, dass wir uns in einer neuen Welt befinden in dem Natur-, Wasser-, Boden- und Klimaschutz einen gestiegenen Stellenwert haben.“

Bevor noch weiter Zeit, Energie und vor allem Geld in dem Verfahren versenkt werden, rät der BUND das Projekt umgehend zu beenden und sich mit gleicher Verve der Wohnflächenhebung im Innenbereich zu zuwenden. Hier schlummern auch in Weil der Stadt noch enorme Potentiale.“

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Rückfragen an:
Gerhard Pfeifer (BUND-Regionalgeschäftsführer): 0711 / 61970-40

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