BUND Regionalverband Stuttgart

Die Bereitstellung von Holz ist Daseinsvorsorge - auch in Schutzgebieten

24. Februar 2023

Im ForstBW-Forstbezirk Schönbuch läuft die Holzernte im Winter auf Hochtouren - auch im Naturschutzgebiet Rotwildpark wird Holz bereitgestellt. Dies erscheint zunächst als Widerspruch und trifft nicht selten auf Unverständnis in der Bevölkerung. Die Förderung der Artenvielfalt im Blick, können über die Holzernte und Waldpflege auch naturschutzfachliche Ziele erreicht werden. Der BUND Stuttgart unterstützt dieses Vorgehen.

Gerhard Pfeifer, Geschäftsführer des BUND Regionalverband Stuttgart bei einem Pressegespräch im Rotwildpark.

Presseinfo zum Pressetermin vom 24.02.2023              

Der Wald erfüllt viele Funktionen für uns Menschen. Als Lebensraum für Tiere und Pflanzen, Ort der Erholung und zur Gewinnung von Holz ist der Wald ein Alleskönner und essenziell für unser Gemeinwohl. „Bei der Waldbewirtschaftung müssen daher viele Anforderungen berücksichtigt und in Einklang gebracht werden, auch im Hinblick auf den Natur- und Artenschutz“, sagt Graf Bülow, Leiter des Forstbezirk Schönbuchs. „In geschützten Wäldern, wie in Natura2000- oder in Naturschutzgebieten, gelten umfassende Managementpläne. Dort werden für jede geschützte Tier- oder Pflanzenart in einem Gebiet, Maßnahmen zur Erhaltung und Förderung der jeweiligen Art vorgegeben, die bei der Planung und Durchführung der Holzernte eine zentrale Rolle spielen“, so der Forstmann weiter.

Im Naturschutzgebiet Rotwildpark ist die Waldbewirtschaftung vorwiegend zum Erhalt und der Entwicklung eines Käfers vorwiegend ausgerichtet. Der Juchtenkäfer, auch Eremit genannt, ist streng geschützt und sehr selten. Daher tragen Forstleute eine besondere Verantwortung bei der Waldbewirtschaftung im Naturschutzgebiet Rotwildpark. Der regelmäßige Austausch mit dem ehrenamtlichen Naturschutz und Fachleuten bringt dabei viele Synergieeffekte und trägt zum Gelingen bei der gezielten Förderung einzelner Arten bei.

Als totholzbewohnender Käfer benötigt er alte Bäume mit großen Baumhöhlen- die sogenannten Habitatbäume. Solche Großhöhlen entstehen erst wenn sehr dicke Äste am Stamm abbrechen und ausfaulen. Der Prozess dauert mindestens zwei Jahrhunderte. Deshalb sind diese Bäume für den Eremit als Lebensraum so wertvoll und müssen erhalten und gefördert werden. Zur Ausbildung dieser Strukturen ist die Eiche die optimale Baumart. Nicht nur weil zahlreiche lichtliebende Tier- und Pflanzenarten von und mit der Eiche leben, sondern weil sie als Lichtbaumart mit Trockenheit besser zurechtkommt und damit dem Käfer auch zukünftig eine Heimat bieten kann. Die Eiche gilt als klimastabil, standfest und dauerhaft mit idealen Holzeigenschaften. Sie hat aber auch eine sensible Seite. Als Lichtbaumart reagieren Eichen sehr empfindlich, wenn Äste anderer Bäume in die Baumkorne einwachsen und der Eiche so das Licht nehmen. Eichen werden daher in unserer Raumschaft größtenteils von konkurrenzstarken Bäumen wie zum Beispiel der Buche überwachsen und ausgedunkelt. Als Folge davon sterben zuerst Teile der Baumkrone ab, bis die Eiche schließlich aus Lichtmangel komplett abstirbt. Eine Durchforstung bietet die Möglichkeit lichtbedürftigen Baumarten, wie die Eiche, flächig zu erhalten, indem ihnen immer wieder genügend Licht gegeben wird. So lassen sich klimastabile und baumartenreiche Mischwälder erhalten, wie sie auch für die Artenvielfalt erforderlich sind.   

Im Naturschutzgebiet Rotwildpark stehen zahlreiche mächtige Baumriesen, häufig Eichen, in welchen auch der Eremit vorkommt. Um diese Bäume zu erhalten, werden sie regelmäßig von einwachsenden Bäumen freigepflegt. Da das Eremitvorkommen dauerhaft im Gebiet nach EU-Recht gesichert werden muss, müssen auch zukünftig Habitatbäume für den Käfer bereitstehen. Über die waldbauliche Pflege im jungen Baumalter können Forstleute Baumarten gezielt fördern und frühzeitig im Wachstum zur Ausbildung großer Baumkronen anregen. Wenn Eichen schon im „zarten Alter“ von 30 Jahren immer wieder seitlich Licht bekommen, werden tief angesetzte Äste nicht abgestoßen, sondern bilden sich zu mächtigen Ästen aus, die dann im späteren Baumalter die erwünschten Großhöhlen ausbilden können. So kann der Wald mit der Holzernte nicht nur gepflegt, sondern auch aktiv gestaltet werden. Eine Durchforstung kann Baumarten und ökologisch wertvolle Strukturen fördern und für uns Menschen Holz bereitstellen- ganz im Sinne der Daseinsvorsorge.

Das Holz der gefällten Bäume ist ein vielseitiger Werkstoff und deckt sich mit den stark zunehmenden gesellschaftlichen Ansprüchen an eine umweltfreundliche, nachhaltige und klimaneutrale Verwendung von Ressourcen. Waldbauliches Ziel im Naturschutzgebiet ist die Vereinbarkeit naturschutzfachlicher Ansprüche mit der Pflege und Ernte hochwertiger Holzsortimente für langlebige Holzprodukte. Daher werden neben den Habitatbäumen auch Bäume gepflegt, die mit Erreichen einer bestimmten Qualität als hochwertiges Holz geerntet und an heimische Sägewerke verkauft werden. Der darin gespeicherte Kohlenstoff wird über die Lebensdauer des Holzproduktes der Atmosphäre entzogen. So ist die verantwortungsvolle Holzverwendung ein Beitrag zum aktiven Klimaschutz.

Der BUND Stuttgart unterstützt die aktuellen waldbaulichen Maßnahmen im Rotwildpark. „Die Altbaumdichte und das damit verbundene große Vorkommen des Eremiten ist einzigartig im Land und sogar bundesweit sehr bedeutsam“, betont Gerhard Pfeifer Geschäftsführer des BUND Regionalverbandes Stuttgart. Als Urwaldreliktart ist der Eremit eine Schirm- bzw. Stellvertreterart für etliche andere stark gefährdete Tierarten mit ähnlichen Lebensraumansprüchen. „Dazu gehören der Hirschkäfer, die Vogelarten Halsbandschnäpper und Mittelspecht und die Bechsteinfledermaus - um nur einige zu nennen. Neben dem Artenschutz ist die Förderung der wärmetoleranten Eichen auch eine sinnvolle Maßnahme Stuttgart´s beliebtestes Waldgebiet klimastabil zu entwickeln“, so Gerhard Pfeifer mit Blick auf den zukünftigen Wald im Rotwildpark.

Hintergrundinformation

Schutzgebiete

Natura 2000 ist ein europäisches ökologisches Schutzgebietsnetz, das von der Europäischen Union auf Grundlage der Vogelschutzrichtlinie und der FFH-Richtlinie (Fauna = Tierwelt, Flora = Pflanzenwelt, Habitat = Lebensraum) errichtet wurde. Innerhalb dieses Schutzgebietsnetzes sind bestimmte, europaweit bedeutsame natürliche Lebensräume sowie wild lebende Tiere und Pflanzen geschützt. So soll die biologische Vielfalt und das europäische Naturerbe bewahrt werden.

Naturschutzgebiete sind nach § 23 Bundesnaturschutzgesetz rechtsverbindlich festgesetzte Gebiete, in denen ein besonderer Schutz von Natur und Landschaft in ihrer Ganzheit oder in einzelnen Teilen erforderlich ist. Sie gehören zu den sehr streng geschützten Flächen in Deutschland.

Über den Forstbezirk Schönbuch

Der Forstbezirk Schönbuch erstreckt sich von Tübingen im Süden bis hoch nach Stuttgart Weilimdorf im Norden und von Aidlingen im Westen bis nach Aichtal im Osten und ist in 10 Forstreviere untergliedert. Er umfasst rund 13.300 ha Staatswald mit einer großen Baumartenvielfalt und größtenteils stabilen Mischbeständen. Durch die Lage im Verdichtungsraum kommt der Erholungsfunktion eine besondere Rolle zu. Rund 8700 ha wurden als Erholungswald der Kategorie 1 (höchste Stufe) ausgewiesen. Daneben trägt der Forstbezirk eine besondere Verantwortung für den Waldnaturschutz. Es befinden sich darin 484 ha Waldschutzgebiete (v.a. Bannwälder), ca. 1100 ha Naturschutzgebiete und flächenhafte Naturdenkmäler, 738 ha kartierte Waldbiotope. 8150 ha liegen in einem FFH-Gebiet, 7094 ha in einem Vogelschutzgebiet nach Natura 2000.

Über ForstBW

Die Anstalt öffentlichen Rechts Forst Baden-Württemberg (ForstBW) arbeitet seit dem 01.01.2020 als eigenständiges Unternehmen. ForstBW trägt die Verantwortung für die Bewirtschaftung von über 320.000 ha Staatswald - das entspricht einem Viertel der Waldfläche Baden-Württembergs- und ist damit der größte Forstbetrieb des Landes. ForstBW setzt sich zum Ziel ökologisch vorbildlich, sozial ausgewogen und ökonomisch erfolgreich zu arbeiten. Im Sinne des Waldes und der Menschen bildet das Prinzip der Nachhaltigkeit die Grundlage unserer Tätigkeit. Dazu tragen landesweit ca. 1.800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei. Die naturnahe und nachhaltige Bewirtschaftung des Staatswaldes durch den Landesbetrieb ForstBW ist FSC® und PEFC™ zertifiziert. Seit dem 01. Oktober trägt ForstBW zudem das Gemeinwohl Ökonomie Zertifikat. 

 

 

Zur Übersicht

Suche

BUND-Bestellkorb